Römische Skizzen

„Kein vernünftiger Mensch schreibt über Rom“

Angezogen, abgeflogen, angekommen – und nun? „Ich kann nun nichts sagen, als ich bin hier“ hat schon der alte große Dichtermeister erkennen müssen. Obwohl Goethe damals wohl bei weitem einen beschwerlicheren und längeren Weg auf sich nehmen musste als ich mit einem Orangensaft am Fensterplatz.
Und nun neigen sich meine Romzeit und auch mein Praktikum in der Casa di Goethe (http://www.casadigoethe.it) schon fast dem Ende zu. Zu meinen Aufgaben gehörte es unter vielem anderen, die Beiträge der letzten Casa di Goethe Stipendiaten über ihren Romaufenthalt und ihre Projekte Korrektur zu lesen. Es ist erstaunlich wie viele davon handelten, wie schwer es ist, etwas über Rom zu schreiben, weil es immer nur Worte bleiben müssen, die man schreibt. Christian Delius hat in seinem Artikel über Rom, der im Juni in der Zeitschrift LITERATUREN erschien, mit den Worten „Kein vernünftiger Mensch schreibt über Rom“ einen meiner Meinung nach sehr guten Anfang gefunden…

Römische Zeiten
Die Zeit hier in Rom läuft anders. Sie ist nie für oder gegen einen, das beste ist, nicht zu sehr auf sie zu zählen. Meine ersten Wochen waren länger als die späteren. Ich hatte Zeit und Gelegenheit mich ein wenig in der Stadt und vor allem auch in der Umgebung umzusehen. Auch weil mich ständig Leute besuchen kommen, habe ich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten schon mehr als einmal genauer in Augenschein nehmen können. Man kann immer wieder zurück kommen und sie sich ansehen. Da ich auch ein paar Römer kennen gelernt habe, hatte ich schon den Eindruck auch zu „nicht-touristischen“ Ecken vorzustoßen, obwohl ich das Gefühl habe, dass in Rom einerseits einfach alles bereits von und für Touristen erschlossen zu sein scheint und andererseits für sich selbst die Zeit in Rom nie reicht – egal wie viel man davon zur Verfügung haben mag – um alle interessanten Ecken zu erkunden. Man sollte sich nie zu dem Glauben verführen lassen, man kenne Rom. Denn einen Moment später wird man sich verlaufen oder aber eine versteckte Piazetta mit seiner neuen Lieblings-Gelateria entdeckt haben.

Traumhafte Aussichten
Besonders haben mir die Stadtteile Aventin und Gianicolo gefallen, wobei es sich bei letzterem eigentlich eher um einen langgestreckten, begrünten und bepflanzten Hügel handelt, auf dem die Aussicht auf Rom, egal zu welcher Tageszeit, traumhaft schön ist. Ein gemütlicher Spazierweg, gesäumt von Bäumen, Sträuchern und Marmorbüsten von Personen nationaler und internationaler Bedeutung, zieht sich über den Gianicolo Hügel; kaum muss der Spaziergänger vom Weg abkommen, um in einem der schönsten botanischen Gärten (Orto Botanico) Italiens anzukommen, der heute in den Händen der Universität liegt.
Aventin ist das Viertel der Reichen in Rom. Südlich, etwa 50m über der lärmenden Hektik der Stadt gelegen, zählt der Aventin zu einem der sieben Hügeln auf denen Rom erbaut wurde (im Gegensatz zum Gianicolo, der nicht zum antiken Stadtkern dazugehört). Bekanntheiten wie der toskanische Schauspieler und Regisseur Roberto Benigni sind oder waren in der aventinischen Nachbarschaft vertreten. Ruhe zur Erholung findet man im Tumult Roms selten, weswegen ich die Stimmung dort sofort als etwas sehr besonderes empfunden habe. Auch sind die Villen und Gärten dort eher ästhetisch-idyllisch als protzig und plump. Im kleinen „Giardino degli aranci“ neben der Kirche Santa Sabina scheinen die Wege, Orangenbäume und Grasflächen bis zum letzten Halm ausgerichtet auf das Panorama Roms, mit dem Petersdom als Hauptthema: fast genau in der Mitte zentriert, wie er sich hier präsentiert (vom Gianicolo aus kann man ihn eher schlecht sehen- er ist einfach zu nah). Jetzt im Sommer dient der Garten als Kulisse für Live-Musik Abende mit römischen Liedern.

Geheimes und nicht so Geheimes
Ein paar Schritte neben dem Park trifft man auf die von Piranesi entworfene Piazza dei Cavalieri di Malta mit einem Priorat des Malteserordens und einer sehr hübschen gewollten Zufälligkeit: Im Hauptportal gibt es ein zweites, großes Schlüsselloch (das echte ist viel kleiner und wird im Gegensatz dazu auch zum Auf- und Zuschließen benutzt). Schaut man hindurch, zeigt das Blickfeld, eingerahmt durch die Form des Schlüssellochs und der sich dahinter befindenden, zurechtgestutzten Pflanzenbögen, die Kuppel des Petersdoms http://www.bikiniland.de/users/148/maltakeyhole.swf
Wie man schon am Link sieht, ist der Schlüssellochblick natürlich schon lange kein Geheimnis mehr (allerspätestens seitdem man diesen „Geheimtipp“ unter romasegreta.it einsehen kann.
Wieder unten, doch dennoch noch Teil des Viertels Aventin, liegt die Cestius Pyramide. Daneben findet man einen liebevoll gepflegten Protestantischen Friedhof, genau außerhalb der alten Stadtmauern Roms, wo alle nicht-katholischen Toten begraben wurden. Goethes Sohn, genauso wie zwei Söhne Wilhelm von Humboldts, der kommunistische Politologe Gramsci, sowie der englische Dichter John Keats fanden hier ihre letzte Ruhestätte.
Unbekannteres lässt sich dann erst wieder außerhalb Roms entdecken. Villa Adriana und Villa d’Este (http://www.villadestetivoli.info) in Tivoli (etwa 40km östlich von Rom gelegen) sind noch zwei der meistbesuchtesten antiken Stätten bzw. Villengärten.

Haselnüsse und Wein – Genüsse im Herbst
An einem Wochenende jedoch, hatte ich die Gelegenheit weiter raus aufs Land zu fahren und in dem kleinen Dörfchen Vignagnello das Castello Ruspoli mit einem der schönten Gärten Lazios anzusehen (http://grandigiardini.it/scheda.php?id=66). Das Dorf ist bekannt für Haselnüsse und die gesamte Region für sehr guten Weißwein. Die Stadt Viterbo (80km nordwestlich) veranstaltet in Vignanello, Montefiascone und anderen umliegenden Dörfern jedes Jahr im Sommer ein Weinfest. In Vignanello konnte ich wegen der schlechten Reisemöglichkeiten am Wochenende nicht bis zum abendlichen Fest bleiben, in Montefiascone jedoch habe ich viele Weine probiert und auch gekauft, unter anderem den Wein „Est, est, est!!!“, der einer Anekdote nach durch einen Mönch so benannt wurde, der als Weinkritiker unterwegs war und alle guten Weine mit dem lateinischen est, also „es ist“ bewertet hat. Der besagte Weißwein hat ihm so gut gemundet, dass er ihm seine beste Bewertung gleich dreimal ausgesprochen hat.

Römische Skizzen von Claudia Ziegler, 23, Nürnberg,
von Juli bis Okt. 2007 Praktikantin in der Casa di Goethe, Rom