Potsdamer Überraschungen

Zum dritten Mal in 23 Jahren war ich nun in Potsdam und muss sagen, was hat sich diese Stadt herausgeputzt!  Eine schöne und behagliche und dennoch weltoffene Stadt.

Wir von da sempre haben sehr nette Kundinnen dort und eine davon hat uns spontan eingeladen mit ihrem Mann eine persönliche Führung (er ist als Gästeführer geschult) zu machen. Da wir die Räder dabei hatten, haben wir also eine Radführung bekommen. Das war schon unsere erste Überraschung – Danke nochmals an Herrn und Frau V.!

Potsdam haben wir uns er“fahren“ – im wahrsten Sinne des Wortes. Auch wenn eine eher unangenehme Überraschung das unglaubliche Potsdamer Kopfsteinplaster war. Gehwegfahren haben wir so geübt und die Suche nach Straßen mit Asphaltbelag. Hierfür sollte es einen extra Radführer geben!

Wunderschön war es mit dem Rad ganz früh, wenn noch nicht viele Leute unterwegs waren im Park von Sanssouci auf dem sog. Ökonomie-Weg, der für Räder freigegeben ist

Frühmorgens in Sanssouci: ohne Sorge, ohne Menschen (massen)

oder am späten Abend im Neuen Garten zum urigen Biergarten der Meierei. Anschließend noch am Schloss Cecilienhof vorbei und an den luxuriösen Villen von Herrn Joop und Herrn Jauch vorbeigeradelt (Vorsicht! Potsdamer Kopfsteinplaster vom gröbsten!) … die Herrn wohnen nicht schlecht am Heiligen See. Das ist jedoch keine Überraschung.

Wir haben ebenfalls wunderbar gewohnt, gleich beim Holländischen Viertel. Frau Hillebrand hat ihre 2-Zimmer-Ferienwohnung schön und bequem möbliert und am Abend saßen wir gern auf der kleinen Terrasse vorm hübschen Haus.

Buch lesend auf der kleinen Terrasse

Bei Lust und Laune einfach eine Straße weiter ins Holländische Viertel in eines der netten Lokale oder gleich ins Café Heider am Nauener Tor auf einen Absacker. Alles prima zu Fuss erreichbar und mit dem Radl sowieso.
Unsere Ziele waren sonst mehr auf Fahrrad-Distanzen ausgelegt. Ca. 15 km nach Geltow immer an der Havel entlang zu einer originalen Handweberei oder nach Babelsberg zu den historischen kleinen Häusern der böhmischen Weber, die idyllisch und wirklich überraschend mittendrin liegen. Dann weiter geradelt zu den pompösen Villen, in denen Stalin, Churchill und Truman während der Potsdamer Konferenz wohnten. Potsdam bietet Weltgeschichte in vielen Facetten.

Natürlich auch in die vielen Parks, u.a. zum eher wenig besuchten Schloss Charlottenhof

Garten von Schloss Charlottenhof

mit dem liebevoll gestalteten Garten, in den Babelsberger Schlosspark oder zum Belvedere auf dem Pfingstberg mit der überraschenden und großartigen Aussicht ins ganze Havelland. Wie einst Spione über die Glienicker Brücke geradelt oder in die russische Kolonie Alexandrowka – wir waren da und haben alles meist im Sonnenschein genossen.

Eine Bootsfahrt auf der Havel gehört auch dazu  – wir sind ja schließlich  Touristen und dürfen das : „Oh, guck mal wie schön Schloss Babelsberg mit Fontäne, ach, da ist die Pfaueninsel, schau, da ist Schloß Cecilienhof….“

Sonst haben wir uns aber gern wie Einheimische bewegt. Schnell findet man sich in Potsdam zurecht. Es ist sehr übersichtlich in der relativ kleinen Innenstadt. Nette Läden, einige Buchhandlungen und viele schöne Lokale machen einen Aufenthalt dort sehr angenehm. Überraschenderweise hat mich ein Buch den ganzen Aufenthalt über begleitet, es ist mir im Buchladen dort begegnet. Dieses Buch ist nicht nur eine schön zu lesende Biografie der preußischen Königin Luise, sondern eine spannende  Geschichtsstunde vor Ort, wo Geschichte doch meist den Königen und Militärs vorbehalten ist. Wir sind auf Luises Spuren nach dem stillen Schlösschen Paretz gefahren – allerdings mit dem Auto. Und von dort am Havel-Radweg entlang geradelt und haben über die Havel mit der Fähre übergesetzt, was wir besonders lieben.

Kulinarisch gab’s u.a. Mediterranen Salat, Havelfisch, Wild, russische Pelmeni, altmodische Rouladen und Wernesgrüner Bier.

Eine köstliche Überraschung war die Birnentorte im Schloss von Ribbeck im Havelland.

Da haben wir auch einen feinen Birnengeist mitgenommen. Feingeistige Erinnerung sozusagen.

Birnenkuchen und Kirche von Ribbeck

Der Birnbaum steht an der Kirche, auch wenn er nicht mehr der ursprüngliche ist. Kennen Sie es noch, das wunderbare Gedicht von Theodor Fontane?

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll.
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ’ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.«So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht –
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was er damals tat,
Als um eine Birn‘ ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung‘ übern Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: »Wiste ’ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew‘ di ’ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

(Theodor Fontane)

Wir waren sicher nicht das letzte Mal in Potsdam und der schönen Umgebung – einige Überraschungen haben wir uns noch aufgehoben.

Mein Buchtipp: Königin Luise von Preußen – Ein Stern in Wetterwolken

Autor: Heinz Ohff   ISBN 978-3-492-21548-0  14,90 €

Sieglinde Graf im August 2014 (alle Fotos privat)