Wenn die Gondeln schlafen

Venedig ist – immer noch – eine wunderbare Stadt.

Wenn man einmal einige Tage dort verbringt, so wie wir kürzlich, kann man etwas in diese Stadt und ihren Kosmos eintauchen.  Wir hatten uns für eine Ferienwohnung entschieden, weil wir ein bisschen venezianisches Lebensgefühl entdecken wollten. Wohlwissend, dass wir natürlich Touristen sind und auch die Probleme von Venedig nicht verkennen.

Unsere sehr netten, jungen Vermieter Paolo und Roberta führten uns in die ruhige Wohnung im zweiten Stock in Paolos Elternhaus. Kein Palazzo, aber ein richtig altes venezianisches Haus direkt bei der Piazza San Marco und in einer der angesagtesten Einkaufstraßen Venedigs, der Calle 22 Marzo. Alle italienischen Designermarken gibt es hier zu kaufen.

Lebensmittel einzukaufen ist da schon fast schwieriger. Nur wenige Supermärkte oder sogar kleine Alimentari-Läden gibt es noch in Venedig. Es wohnen nur mehr 58000 Menschen dort und die 20 Millionen jährlichen Touristen benötigen eben nur viele Bars, Cafés oder sonstige Lokale und anscheinend auch viele schreckliche Andenken-Läden und Kioske.

Unser täglicher Weg zum Supermarkt führte an der altehrwürdigen La Fenice vorbei, der Oper mitten in Venedig. Enge Gassen, genannt Calli, kleine Brücken über unzählige Kanäle und immer wieder kleine oder größere Plätze, genannt Campi (anders als sonst in Italien, darf sich in Venedig nur der Markusplatz Piazza nennen, sonst heißt ein Platz hier Campo), das sind die Wege, die wir gingen. Mit Rucksack für die Einkäufe, denn es war schon eine gute Strecke zu tragen. Zum Glück lag mitten drin an einer Ecke zweier Calli die Bar Brasilia. Zum Draußensitzen ein guter Platz für einen orangen Sprizz mit Aperol, den auch alte Venezianerinnen dort nicht verschmähten. Dazu Patatine, die feinen Kartoffelchips –  perfetto.

Viele schöne Läden gabs jedoch auch zu durchstöbern. Feine Papierwaren, köstliche Konditorei-Spezialitäten, edle Samttäschchen und vieles mehr. Im etwas bodenständigeren und mehr von Venezianern bewohnten Stadtteil San Polo findet sich all das und dazu  witzige kleine Lokale, Bacaro genannt. Dort gibt’s Wein und feine kleine Köstlichkeiten, Cicchetti,  im Stehen. Sehr gut ist übrigens das Leitungswasser in Venedig, das auch aus den öffentlichen Trinkbrunnen an den kleinen Plätzen fließt, es kommt nämlich aus den Dolomiten.

Die Vaporetti fahren den ganzen Tag und die halbe Nacht. Wir sind immerzu Vaporetto gefahren und es war jedes Mal eine tolle Schiff-Fahrt, da das Wetter wunderbar war. Den Canal Grande bei Tag und Nacht, über die Lagune nach Murano und zum Lido im hellen Sonnenschein, einfach mal zwei Stationen über den Canal Grande, weil die nächste Brücke zu weit weg war… Ein Ticket für die Urlaubszeit lohnt sich auf jeden Fall, denn Einzelfahrscheine sind sehr teuer.

Am schönsten aber ist Venedig frühmorgens. Da gehört es einem ganz allein. Ich habe es genossen auf der Piazza San Marco ganz allein unterwegs zu sein, den Gondeln beim Schlafen zuzusehen und die Andenkenbuden geschlossen zu finden oder weggeräumt.

Piazza San Marco um 6 Uhr morgens

Ruhe und Schönheit, das war die wunderbare Stimmung frühmorgens in der Lagune und der alten Stadt.

Sollten Sie einmal besondere Spaziergänge in Venedig machen wollen und ein Fan von Donna Leons Commissario Brunetti sein, kann ich Ihnen ein Buch empfehlen:  Toni Sepeda „Mit Brunetti durch Venedig – 13 literarische Spaziergänge“ (mit Vorwort von Donna Leon)

Wir haben einige der vorgeschlagenen Orte besucht und können Ihnen sagen, Brunetti kennt und liebt seine Stadt und ist ein Feinschmecker. Auf seinen Spuren finden Sie besonders Sehenswertes, wenig Touristen und gut venezianisch zu Essen und Trinken bekommen Sie auch.

Übrigens: die Bücher von Donna Leon werden ja nicht ins Italienische übersetzt und Paolo und Roberta waren sehr überrascht, als wir ihnen erzählten, dass wir auf den Spuren eines literarischen venezianischen Commissarios unterwegs sein wollen.

Sieglinde Graf, Juni 2013

(Alle Fotos sind von privat)